Tatbestand § Tatbestandsmerkmale, Ermittlungsverfahren & mehr
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Strafrechtinfo24 Redaktion
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- Er ergibt sich im Ermittlungsverfahren aus dem Tatverdacht
Rechtslage des Tatbestand
Das Strafrecht in Deutschland ist im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und kennt nicht nur das Prinzip „Keine Strafe ohne Gesetz“ welches im §1 Strafgesetzbuch (StGB) festgehalten ist, sondern definiert auch eindeutig, welche Delikte strafrechtlich relevant sind. Hierbei enthält der sogenannte besondere Teil des deutschen Strafrechts in den § 80 bis 358 Strafgesetzbuch (StGB) alle strafbaren Delikte sowie deren Tatbestand und mögliche Rechtsformen.
Konkret legt der Gesetzgeber in diesen Paragraphen sogenannte Merkmalsbeschreibungen fest, anhand derer ein konkreter Tatbestand ausgemacht werden kann. Die Mehrheit der in Deutschland strafbaren Tatbestände befindet sich somit im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs. Dennoch sind auch in anderen Gesetzen bestimmte Straftatbestände geregelt, hierbei spricht man dann vom sogenannten Nebenstrafrecht.
Abgrenzung zur Straftat
Deutschland als Rechtsstaat kennt grundsätzlich zwei relevante Begrifflichkeiten, die mit Verstößen gegen Gesetze einhergehen. Den Tatbestand und den Straftatbestand. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass im strafrechtlichen Zusammenhang ein Tatbestand immer dann zum Straftatbestand wird, wenn dieser die rechtliche Definition einer Straftat erfüllt.
Der Tatbestand der Nötigung wird somit aufgrund der klaren Definition dieser Straftat im Strafgesetzbuch (StGB) im Zuge der erfolgreichen Aufklärung durch die Strafverfolgungsbehörden zum Straftatbestand bzw. zur Straftat. Doch nicht immer muss ein Tatbestand gleich zur Straftat werden. Eine Ordnungswidrigkeit wie zum Beispiel das unzulässige Abstellen eines Kraftfahrzeugs (Falschparken) hat keine strafrechtliche Relevanz und so wird aus diesem Tatbestand auch keine Straftat.
Tatbestandsmerkmale
Um eine Tat rechtlich aufzuklären und somit zu entscheiden, ob es sich hierbei um strafrechtlich oder zivilrechtlich relevantes Verhalten handelt, gibt es sogenannte Rechtsnormen wie die Tatbestandsmerkmale. Diese definieren, welche Aspekte eine Tat zum Tatbestand oder im Zuge der Ermittlungen zur Straftat machen. Erst wenn diese Merkmale nachweisbar zutreffend sind und zwar in Ihrer Gesamtheit (also alle) gilt die Tat als rechtlich relevant und der Staat darf den Täter bestrafen. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Ist eines oder gar mehrere der nun folgenden Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt, liegt keine Straftat und somit kein Tatbestand vor und der Verdächtige bleibt straffrei.
- Deskriptive Tatbestandsmerkmale: Unter den deskriptiven Tatbestandsmerkmalen werden die beschriebenen Merkmale verstanden. Diese verdeutlichen eine einfache Beschreibung, was tatbestandlich nicht erlaubt ist. Dazu ist auch keine zusätzliche, (juristisch) wertende Maßnahme nötig.
- Normative Tatbestandsmerkmale: Für die normativen Merkmale bedarf es hingehen einer zusätzlichen, wertenden Maßnahme. Demnach kann nur durch ein zusätzliches wertendes Urteil festgelegt werden, was unter tatbestandlichen Schutz stehen soll.
- Objektive Merkmale: Zu den objektiven Tatbestandsmerkmalen zählen äußere Merkmale. Das sind Umstände, die das äußere Erscheinungsbild einer Tat prägen und für Außenstehende wahrnehmbar sind. Die objektiven Merkmale beziehen sich also allesamt auf das äußere Erscheinungsbild der Tat. Sie können dabei sowohl deskriptiv (beschreibend) als auch normativ („so sollte es gemacht werden“) geprägt sein.
- Subjektive Merkmale: Die subjektiven Tatbestandsmerkmale beschäftigen sich mit dem geistigen Leben bzw. der „inneren Welt“ des Täters. Sie sind für Außenstehende nicht sichtbar, sondern beschreiben dessen seelisch-psychische Vorstellung. Hierzu gehört beispielsweise der Vorsatz des Täters oder die Bereicherungsabsicht eines Betrügers. Diese Merkmale treten zum objektiven Tatbestand hinzu.
Besonderheit: Gesamtunrechtstatbestand
Der sogenannte Gesamtunrechtstatbestand ist ein juristischer Begriff, der die Gesamtheit der Tat und somit die strafrechtliche Relevanz ebendieser umfasst. Hierbei gilt, dass alle unrecht bildenden und -ausschließenden Merkmale auf einer Bewertungsebene behandelt werden müssen, um aus einem Tatverdacht einen Gesamtunrechtstatbestand ermitteln zu können. Dabei orientiert sich diese Vorgehensweise an der Lehre der negativen Tatbestandsmerkmale, welche einen zweistufigen Deliktsaufbau zur Folge hätte:
- Erste Stufe: Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit
- Zweite Stufe: Schuld
Die herrschende Meinung verneint jedoch die Lehre von negativen Tatbestandsmerkmalen. Aus diesem Grund ist stets der dreistufige Deliktsaufbau maßgeblich, welcher auch in strafrechtlichen Klausuren anzuwenden ist. Dieser unterscheidet klar zwischen Tatbestandsmäßigkeit, der Rechtswidrigkeit der Tat sowie der Schuld des Täters.
Tatbestand und Ermittlungsverfahren
Immer dann, wenn ein Tatverdacht besteht und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, soll überprüft werden, ob eine Person eine strafrechtliche Tat begangen hat oder nicht. Ob sich eine Person strafbar gemacht hat oder nicht, wird im Ermittlungsverfahren anhand von drei Prüfungsschritten entschieden. Diese Prüfung unterliegt einem strengen Schema, damit die Nachvollziehbarkeit gewährleistet ist und um Rechtssicherheit und Gerechtigkeit zu garantieren. Diese Prüfungsschritte sind:
- Objektiver Tatbestand
- Subjektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand setzt sich aus den Tatbestandsmerkmalen der jeweiligen gesetzlichen Definition einer Straftat zusammen. Darunter fallen die äußeren Umstände, die gegeben sein müssen, also die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale. Wann diese Merkmale jedoch erfüllt sind, ist im Gesetz nicht definiert. Auskunft darüber gibt die sogenannte „Dogmatik“ des jeweiligen Deliktes. Darunter kann man sich eine Zusammenstellung der anzuwendenden Meinung darüber vorstellen, wie die Begriffe zu verstehen sind.
Diese Dogmatik hat sich in jahrelangen juristischen Diskussionen herausgebildet. Aus ihr ergeben sich Definitionen, wie beispielsweise für die “körperliche Misshandlung“, welche lautet: „üble und unangemessene Behandlung, durch die die körperliche Unversehrtheit oder das körperliche Wohlbefinden des Opfers nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird.“ Letztlich wird ermittelt, ob das konkrete Verhalten des Täters unter das jeweilige Tatbestandsmerkmal fällt (Subsumtion). Sowohl die Definition als auch die Subsumtion müssen für jedes einzelne Tatbestandsmerkmal durchgeführt werden. Sind die erforderlichen Tatbestandsmerkmale des objektiven Tatbestandes erfüllt, muss weiter geprüft werden. Ansonsten liegt schon objektiv keine Handlung vor, die strafbar ist.
Subjektiver Tatbestand
Der subjektive Tatbestand bezieht sich auf das Bewusstsein des Täters während der Begehung der Tat bzw. auf dessen Einstellung gegenüber seiner Handlung. „Subjektiv“ meint also die innere Haltung des Täters. Vereinfacht kommen dabei nur Vorsatz oder Fahrlässigkeit in ihren verschiedenen Formen in Frage. Demnach ist grundsätzlich nur vorsätzliches Handeln strafbar bzw. fahrlässiges nur, wenn das Gesetz dies ausdrücklich so vorsieht. Aus diesem Grund gibt es für die meisten Delikte auch keine Bestimmungen zum subjektiven Tatbestand, da immer ein vorsätzliches Verhalten vorliegen muss.
Die Prüfung des subjektiven Tatbestands läuft wie im objektiven Tatbestand ab: Auch hier gibt es Definitionen, die nicht im Gesetz stehen. Demnach wird unter Vorsätzlichkeit im Allgemeinen das „Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung mit allen seinen Umständen” verstanden. Fahrlässigkeit wird mit der “Tatbestandsverwirklichung unter einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts (Schadens)” definiert. Vor diesem Hintergrund muss die innere Einstellung des Täters zur Tat ermittelt werden, um herauszufinden, ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt. Zudem kann es erforderlich sein, die Vorsätzlichkeit selbst genauer zu untersuchen. Dabei gibt es drei Arten von Vorsätzlichkeit, die jeweils nach Art von Vorstellung und Wille unterschieden werden:
- Die Absicht: Dabei will der Täter die Merkmale des Tatbestandes erfüllen und sein Wille ist auf den Erfolg der Tat ausgerichtet.
- Das Wissen: Hier ist dem Täter bewusst bzw. er sieht als sicher voraus, dass er den Tatbestand verwirklicht. Dabei ist es egal, ob der Täter die Verwirklichung des Tatbestandes beabsichtigt oder nicht.
- Den bedingten Vorsatz: Unter der bedingten Vorsätzlichkeit versteht man auch den sogenannten Eventualvorsatz. Dieser kommt in Betracht, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung weder angestrebt noch für sicher hält. Er hält sie nur für möglich. Der Täter ist also quasi mit dem Eintreten des Erfolges in dem Sinne verstanden, als dass er ihn billigend in Kauf nimmt.
Die Unterscheidung zwischen Vorsatz und Eventualvorsatz ist nötig, da es Tatbestände gibt, für die eine besondere Form vorliegen muss. So verlangt beispielsweise der Betrug eine “Absicht”. Demnach reicht es nicht, wenn der Täter die Erlangung von Vorteilen billigend in Kauf nimmt oder für sicher hält, sondern es muss ihm gerade darauf ankommen.
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Rechtswidrigkeit und Schuld
Direkt auf den Straftatbestand beziehen sich dabei die ersten beiden Kriterien. Die Punkte der Rechtswidrigkeit sowie der Schuld hängen aber mit dem Tatbestand zusammen und ergeben letztlich gemeinsam das Ergebnis der Strafbarkeit. So muss nicht unbedingt eine Strafbarkeit vorliegen, wenn der objektive und subjektive Tatbestand erfüllt ist: Die Handlung des Täters muss auch rechtswidrig sein. Das ist zum Beispiel nicht der Fall, wenn Rechtfertigungsgründe wie Notwehr oder Notstand vorliegen.
Auch wenn der Täter aus Selbsthilfe oder mit Einwilligung des Opfers in seine Verletzung gehandelt hat, liegt keine Rechtswidrigkeit vor. Das allgemeine Festnahmerecht, Amtsbefugnisse und das politische Widerstandsrecht können ebenso Rechtfertigungsgründe darstellen. Schuld setzt voraus, dass der Täter hinsichtlich ihrer Handlungen ein persönlicher Vorwurf gemacht werden kann. Dabei geht es um die Frage, ob er die Fähigkeit hat, seine „anlage- und umweltbedingten Antriebe“ zu kontrollieren und Entscheidungen nach sozialethisch verpflichtenden Normen und Wertvorstellungen auszurichten. Die Schuld knüpft demnach an die Schuldfähigkeit des Täters an, die beispielsweise bei Kindern nicht vorliegt. Diese sind schuldunfähig.
So unterstützt Sie ein Anwalt für Strafrecht
Wenn Sie vor einem Ermittlungsverfahren stehen, kann ein Rechtsanwalt für Strafrecht Sie nicht nur vertreten, sondern auch im Vorhinein beurteilen, ob der jeweilige Straftatbestand erfüllt ist oder nicht. Zudem kann er Ihnen alle Voraussetzungen und Merkmale zu den einzelnen Delikten erläutern und erörtern, ob diese vorliegen. Neben den Voraussetzungen kann er prüfen, ob überhaupt eine Bestrafung möglich wäre, oder ob ein Rechtfertigungsgrund vorliegt oder der Beschuldigte schuldunfähig ist. Nach dieser Beurteilung kann er hinsichtlich des weiteren Vorgehens beraten und Sie bei der Umsetzung der nächsten Schritte unterstützen.
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